Preisexplosion: Bauunternehmen geraten in Existenznot

2022-10-22 20:50:18 By : Ms. Ella Wu

Der Bund muss viele Autobahnbrücken erneuern. Die Bauwirtschaft fordert Schutz vor hohen Preisrisiken.

Der Bund muss viele Autobahnbrücken erneuern. Die Bauwirtschaft fordert Schutz vor hohen Preisrisiken.

Berlin Angesichts der steigenden Preise für Energie und Baumaterialen fordern die Bauverbände vom Bund, bei Infrastrukturprojekten künftig sogenannte Gleitklauseln in die Verträge einzubauen. „Sowohl die Deutsche Bahn AG wie auch die Autobahn GmbH des Bundes verweisen in aktuellen Ausschreibungsverfahren darauf, dass Einkaufspreissteigerungen in den Risikobereich des Auftragnehmers fallen und daher grundsätzlich keine Vertragsanpassung rechtfertigen. Mit dieser Haltung ist weder der Bauwirtschaft noch der gesamten Volkswirtschaft gedient“, mahnte der Bundesverband mittelständischer Bauunternehmen (BVMB).

Zuvor hatte bereits der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie vor „einem großen wirtschaftlichen Risiko“ gewarnt. „Für neue Projekte kann es sogar dazu führen, dass die Unternehmen keine Angebote mehr abgeben können“, warnte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. „Erste Anzeichen sind auf kommunaler Ebene zu beobachten.“

Er forderte „Stoffpreisgleitklauseln, auch in bestehenden Verträgen“, wenn beim Angebot die damals aktuellen Materialpreise zugrunde gelegt worden seien. Dies solle auch für Produkte wie Bitumen gelten. „So könnte das Risiko zumindest teilweise abgeschwächt und die Bautätigkeit aufrechterhalten werden.“

Die Forderung erhob auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Unternehmen erhielten nur noch tagesaktuelle Preise und oftmals keine Lieferzusage mehr, sodass es unmöglich sei, Angebote zu unterbreiten. Dies gilt etwa für Baustahl und Bitumen, wie es in der Branche heißt.

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Daher seien „vertragliche Lösungen gefordert, die den Fortgang auf den Baustellen sicherstellen und die Unternehmen vor unkalkulierbaren Kostenrisiken adäquat abschirmen", sagte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa dem Handelsblatt. Inzwischen sorge die Extremsituation dafür, dass die Geschäftsgrundlage wegfalle.

Die Baubranche sei „extrem von den enormen Preissteigerungsraten betroffen“, bestätigte Alfred Watzl, Vorstandsmitglied der Strabag SE, dem Handelsblatt. Er appellierte an die Auftraggeber, bei neu abzuschließenden Verträgen „das Risiko über umfassende Preisgleitklauseln“ auszugleichen. „Bei bestehenden Verträgen, deren Vertragsabschluss bereits Monate oder Jahre zurückliegt, muss es zu Preisanpassungen kommen. Hier geraten nicht nur die beauftragten Bauunternehmen, sondern auch alle Nachunternehmer und Lieferanten zunehmend in existenzielle Not.“

Watzl schloss nicht aus, dass ansonsten Bauvorhaben in Gefahr seien. „Um die Fortführung der Bauprojekte zu ermöglichen, ist eine schnelle und faire Lösung unabdingbar.“

In der Straßenbauverwaltung gibt es bereits Berichte, dass Bauunternehmen aktuelle Autobahnprojekte mit Verlusten abschließen müssen. In einem Fall habe das Minus sogar eine halbe Million Euro betragen, hieß es.

Die Preise waren bereits im vergangenen Jahr so stark wie seit 1949 nicht mehr gestiegen, wie das Statistische Bundesamt im Februar mitgeteilt hatte. Bitumen auf Erdölbasis etwa verteuerte sich um 36,1 Prozent, Betonstahl in Stäben war im Jahresschnitt um 53,2 Prozent teurer.

Auch die Kosten für Zement, für dessen Produktion viel Energie nötig ist, stiegen stark. Anfang März hatte deshalb Heidelberg Cement angekündigt, „die Preise signifikant anzuheben“. Es gebe eine „einmalige Kostenexplosion am Energiemarkt“.

In der Baubranche registrieren die Ökonomen, dass mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den folgenden Sanktionen die Preise für Bau- und Hilfsstoffe stark angestiegen sind. Auch rechnen sie damit, dass die Preise weiter steigen werden.

Stahlprodukte etwa seien vom Stopp für Importe aus Russland und Weißrussland, aber auch von der fehlenden ukrainischen Produktion betroffen. 2020 seien knapp 30 Prozent der EU-Importe aus Drittstaaten aus diesen Staaten erfolgt. Stahl wird vor allem in großen Mengen benötigt, um die zahlreichen maroden Autobahnbrücken zu erneuern.

Auch Exportbeschränkungen Russlands für Holz wirkten sich aus, ganz abgesehen von den Kraftstoffpreisen. Sollte die Nachfrage nach Bauleistungen angesichts dessen zurückgehen, so ist inzwischen sogar von Kurzarbeit die Rede. „Wir haben immer betont, dass wir die Sanktionen gegen Russland für richtig halten und diese auch unterstützen“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa. „Allerdings dürfen wir die Auswirkungen für die Bauwirtschaft nicht aus den Augen verlieren.“

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