Klimawandel: Warum nicht alles weiß anstreichen?

2022-10-22 21:01:08 By : Mr. John Zhu

In Los Angeles werden ganze Straßenzüge mit weißer Farbe überzogen, um die Hitze fernzuhalten

Hellere Oberflächen sollen Städte kühler machen und vielleicht sogar den Klimawandel bremsen.

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Weiße Oberflächen  reflektieren das Sonnenlicht stärker als dunkle und können deshalb besser Hitze abhalten. Diese alte Weisheit findet heute immer öfter Anwendung, um die Temperaturen in Großstädten zu regulieren. Deren Bewohner leiden vor allem im Sommer unter dem Hitzeinseleffekt.

In großem Maßstab eingesetzt, könnte weiße Farbe aber auch dazu beitragen, um die Erderwärmung zu verzögern, meinen Forscher der US-amerikanischen Purdue University. Sie haben vor wenigen Tagen bekannt gegeben, eine "superweiße" Kalkfarbe entwickelt zu haben, die 95,5 Prozent des einfallenden Lichts reflektiert. Derzeit am Markt erhältliche hitzeabweisende Farbe kommt auf 80 bis 90 Prozent.

Bei Tests stellte sich heraus, dass das "Superweiß" die Oberflächentemperatur eines Gebäudes um 1,7 Grad niedriger als jene der umgebenden Luft halten konnte. Bei Nacht fiel die Oberflächentemperatur gar um 10 Grad niedriger aus. Bei solchen Werten könnte man sich Klimaanlagen ersparen. Durch den geringeren Strombedarf würden auch Kohlendioxid-Emissionen sinken, so die Idee der Forscher.

Auf Satellitenaufnahmen mit Wärmebildkameras wird der Hitzeinseleffekt deutlich - hier am Beispiel der US-Stadt Providence, Rhode Island

Helle Anstriche  auf Hausdächern oder Straßen werden seit vielen Jahren in immer mehr Städten angewendet, um zumindest die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen. "Mit solchen Maßnahmen kann man tatsächlich die Albedo [Rückstrahlvermögen] einer Stadt erhöhen", meint Philipp Weihs vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur.

Brächte man es zustande, durch großflächigen Einsatz die Albedo der ganzen Erde um ein Prozent zu erhöhen, so wäre das eine wirksame Waffe gegen die Erderwärmung, die hauptsächlich dem steigenden -Gehalt in der Atmosphäre geschuldet ist. Es gebe auch Geoengineering-Ansätze, die eine stärkere Reflexion der Erde durch das massenweise Ausbringen von lichtstreuenden Partikeln in der Luft vorsehen.

New Yorks Hausdächer (hier im Stadtteil Queens) werden immer öfter weiß gestrichen

So einfach, wie es klingt, ist die Albedo-Erhöhung aber nicht. Wie eine Simulation ergeben hat, könnte etwa die großflächige Aufhellung von Wüsten dazu führen, dass Niederschlagsmengen in den Subtropen sinken. Nicht zu vernachlässigen sei auch die Wirkung auf den Menschen. "Untersuchungen mit stark reflektierenden Bodenoberflächen haben gezeigt, dass sich dadurch der thermische Stress bei Menschen erhöht", sagt Weihs.

Martin Aichholzer, der Leiter des Studiengangs Architektur – Green Building der FH Campus Wien, bezeichnet das Weißfärben von urbanen Oberflächen als "naiven Ansatz", wenn er nicht mit anderen Maßnahmen kombiniert werde. "Das Hauptproblem heute sind große Glasflächen an den Fassaden. Dadurch wird viel Sonnenenergie eingefangen und man muss künstlich kühlen." Durch den Klimawandel heizen sich aber auch ältere Gebäude stärker auf. "Durch die große Masse im Inneren wird Hitze längerfristig eingebunkert."

Auch in Wien gibt es immer mehr helle Betonfahrbahnen

Laut Aichholzer gelte es, die Durchlüftung einer Stadt zu erhöhen. Das sei am besten machbar durch das Aufbrechen versiegelter Bodenflächen und Bepflanzung. Pflanzen würden Schatten spenden und gleichzeitig Verdunstungskälte produzieren. Begrünte Hausdächer wären außerdem im Winter vorteilhaft. "Überall, wo Leben drin ist, ist es wärmer."

Das Aufhellen von Straßen sei aber eine gute Idee. "Schwarzer Asphalt ist tödlich für das Klima." Außerdem, merkt Aichholzer an, sei es wahrscheinlich ratsam, parkende Autos in überdachte Garagen zu verfrachten. "Der ruhende Verkehr hat wahrscheinlich mehr Einfluss auf die Hitze in einer Stadt als Hausfassaden." Der Rückbau von Parkflächen, um mehr Platz für Fußgänger zu schaffen, würde dazu die Lebensqualität der Stadtbewohner erhöhen.

Helligkeitsvergleich bei nächtlicher Beleuchtung: Asphalt (li.) reflektiert wesentlich weniger Licht als Beton (re.)

Das österreichische Forschungsinstitut Smart Minerals hat Versuche durchgeführt, bei denen Straßenbeläge mit unterschiedlicher Helligkeit verglichen wurden. Neben herkömmlichem Asphalt für Straßen und Gehsteige wurde Verkehrsflächenbeton mit verschiedenen Varianten von "White Toppings" (hellgrauen bis weißen Schichten) untersucht. Wie sich zeigte, blieben letztere deutlich kühler. Laut Martin Peyerl von Smart Minerals bringen sie aber auch andere Vorteile mit sich: "In der Nacht ist etwa die Ausleuchtung durch Straßenlaternen besser."

Betonfahrbahnen würden zudem weniger Spurrillen entwickeln, Brems- und Anfahrtkräften besser standhalten und länger haltbar sein. Deswegen wird das Material im Straßenbau auch bereits öfter eingesetzt, v.a. auf Kreuzungen, Kreisverkehren, Autobahnen oder am verkehrsreichen Wiener Gürtel. In Österreich gäbe es zudem Verfahren, um den CO2-Ausstoß bei der Zementproduktion (für Beton) niedrig zu halten.

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.